Vom 15. Juni bis zum 17. Juli.
Gleich das Eröffnungskonzert am 15. Juni im Austria Center Vienna mit der Chanteuse
Marianne Faithfull steht unter einem guten Stern, der in Zeiten der Not umso
heller scheinen muss: sie wird ihr neues Album vorstellen und im Vorprogramm
die
kanadische Jazzhoffnung Matt Dusk das swingende Erbe von Sinatra & Co. antreten
lassen. Darüber hinaus wird das Konzert ein Charity-Event für die United Nations
Women´s Guild sein. Diese Organisation hält ihren Schutzschild über alle weltweit
in Not geratenen Kinder und Mütter, und dass das Eröffnungskonzert des Jazz
Fest Wien als Charity-Gala im Zeichen dieser Organisation stattfindet, ist ein
Hoffnungszeichen.
Schon am 23. Juni setzt eine weitere Diva das Engagement fort: Cesaria Evora.
In ihrer Heimat, den Kapverden, wegen ihrer schuh- und strumpflosen Auftritte
als "barfüssige Diva" ebenso bekannt wie für ihr soziales Gewissen,
singt sie
ihre grandiosen Lieder voller Wehmut, Weltschmerz und Hoffnung nun im Wiener
Konzerthaus. Mit ihren sozialkritischen Liedern und ihrem Engagement u.a. für
Kinderhilfsprojekte, hat sie sich Weltruhm ersungen. Sie nach ihrem 2008 erlittenen
Schlaganfall in Wien begrüßen zu dürfen, ist ein Glück für alle Anwesenden.
Dabei ist ihre Musik allemal von einem bittersüßen Weltschmerz geprägt, der
Sodade. Dieser ursprünglich aus dem Portugiesischen stammende Begriff bezeichnet
die sehnsuchtsvolle Gemütslage der auf die Kapverden von Portugiesen verschleppten
westafrikanischen Sklaven, die sich in ihrer Not ein neues Paradies erträumten.
Das ist genau der Gemütszustand, geboren in den Knochenkathedralen millionenfach
in die Welt verschleppter Afrikaner, aus dem in Amerika Blues, Gospel, Soul,
Jazz und HipHop entstanden.
Keine Frage, dass in diesem Sinne das Jazz Fest Wien mit diesem 21. Jahrgang
die Maschen des globalen Musiknetzwerkes enger knüpft: die afrikanischen Roots
des Jazz, die überbordende Lebenslust, die alles Leid besiegt, wird Seun Kuti
& Egypt 80 am 8. Juli im Arkadenhof des Wiener Rathauses mit viel Kraft
im Gebläse und rhythmischen Feuer beschwören. Wie sein Vater, der legendäre
Fela Kuti, ist auch er ein Hoffnungsträger des jungen, neuen Afrikas, das um
seine Freiheit kämpft. Der Arkadenhof des Wiener Rathauses wird in den Tagen
vom 7. Juli bis zum 10. Juli zu einem Aufmarschplatz von Africana,
Blues-, Soul und Jazz werden, wie er nicht schwärzer sein kann. Am Anfang (7.
Juli) stehen der legendäre Bluespianist
Dr. John und der junge Shooting Star Trombone Shorty, beide aus New Orleans,
auf der Bühne. Die Mixtur aus
deftigem Funk-, Soul, Blues und Jazz wird nicht vergessen lassen, dass der Hurrikan
Katrina 2005 eine Katastrophe für
New Orleans bedeutete; beide Musiker haben sich in Hilfsaktionen mehrfach engagiert.
Beide Musiker wissen um den
alltäglichen Rassismus in Amerika, der sich auch im Umgang mit der Naturkatastrophe
bewies.
Die Soullegende Betty
LaVette kann davon ebenso ein Lied singen wie am gleichen Abend, dem 9. Juli,
die legendären Blind Boys Of Alabama, die wohl älteste Gospelgruppe der Welt. Sie werden das Tal der Schmerzen singend
und hoffnungsfroh durchwandern,
mit Gospelsongs, aber auch mit Songs von Dylan oder den Rolling Stones.
Und am Ende der Konzertreihe im Arkadenhof wird der indonesische Jazz-Pianist
Dwiki Dharmawan mit seinem World Peace Ensemble in einem Freikonzert am 10.
Juli den Weltfrieden mit Musik beschwören und dabei den Jazz als eine internationale
Sprache der Hoffnung benützen. Den 10. Juli eröffnet ein Konzert der südkoreanischen
Sängerin Youn Sun Nah mit dem dänischen Gitarristen Ulf Wakenius.
Jazz wäre keine Musik fürs Leben, wenn er das Überleben nicht in prunkvollsten
Farben schildern würde. So gehört zur lauten Sozialkritik am "american
way of life", wie sie sich die Voices of Harlem mit ihrem HipHop-Gesängen
am 14. Juli im Porgy & Bess leisten, eine Superdiva wie Lisa Minnelli. Ihre
im amerikanischen Showbiz gehärtete Karriere hat sie reifen lassen, mit Glanz
und Gloria wird sie in der Wiener Staatsoper am 17. Juli zeigen, was es heißt,
on top des american way of showbiz zu sein.
Dagegen wird die Art des Jazz-Gesangs, wie sie der aus der Klassik bekannte
Thomas Quasthoff zelebrieren wird, auf eine ganz andere Weise faszinieren. (Wiener
Staatoper, 6. Juli) Auf eben diese Weise halten sich weitere Höhepunkte des
Jazz Fest Wien die Waage. Brit-Folk-Legende Richard Thompson und Singer/Songwriter
William Fitzsimmons werden im WUK (30./1. Juli) eher Töne zur inneren Einkehr
anschlagen, ebenso wie Al Di Meola und Earl Klugh am 1. Juli in der Wiener Staatsoper
die hohe Kunst des leisen Gitarrenspiels zelebrieren werden.
Im Vergleich robustere Töne versprechen die Black Country Communion mit dem
Krachbluesgitarristen Joe Bonamassa (Wiener Staatsoper, 16. Juli), der ebenso
handfeste Bluesgitarrist Walter Trout (Reigen, 6. Juli), der soulig groovende
John Lee Hooker Jr. (Reigen, 5. Juli) und die einstige New-Wave-Göre und diesmal
mit einem Bluesprogramm am 15. Juli in der Staatsoper auftretende Cyndi Lauper.
Die Eleganz eines Jazz Fans wie Bryan Ferry (Wiener Staatsoper, 3. Juli) wird
auf die bodenständig groovende Intelligenz eines promovierten Jazzwissenschaftlers
Ben Sidran (Porgy&Bess, 28. Juni) treffen. Und wie vertragen sich wohl die
Coolness der Diva Madeleine Peyroux (Wiener Staatsoper, 4. Juli) und der Jazz
Legende Lee Konitz (Porgy&Bess, 9. Juli) mit den lateinamerikanischen Hitzegraden,
die Sergio Mendes am 2. Juli in der Fernwärme Wien beim Open Air Spittelau entfachen
wird?
Ob sich diese pure Lebensfreude ins Fernwärmenetz der Stadt Wien einspeisen
lässt? Die Frage sei mit dem Blick auf Schlagwörter wie "nachwachsende
Energien" und "Nachhaltigkeit" beantwortet: das Jazz Fest Wien
findet zum wiederholten Mal an bewährten Spielorten wie der Wiener Staatsoper,
dem Wiener Konzerthaus, dem Austria Center Vienna und in den Clubs der Szene,
dem Porgy&Bess, dem Reigen, dem Jazzland, dem WUK, und an der Fernwärme
Wien, dem Arkadenhof im Wiener Rathaus und am Rathausplatz statt.
Auf der Summerstage haben sich die Frauen ein festen Stammplatz erkämpft, dieses Jahr mit Konzerten von Sabina Hank, Clara Blume und Maria Ivanova. Neben Konzerten mit Musikern der österreichischen Szene, dieses Mal u.a. das radio string quartet vienna, Saxofour, Wolfgang Muthspiel, Fritz Pauer, lassen sich musikalische Gäste aus aller Welt begrüßen. Zu den Gästen aus Amerika, Kanada, Asien oder Afrika kommen zunehmend Gäste aus dem Norden Europas. In diesem Jahr sind es u.a. Terje Rypdal oder Magnus Östrum (Ex-Esbjörn Svensson) Mit anderen Worten: im Herzen Europas ist eine Musik nachgewachsen, die Hoffnung macht. Ganz ohne Restrisiko.